
Es gibt kaum etwas, das ich so entspannend finde, wie der Anblick von Kühen auf der Weide. Leider treffen wir heutzutage immer seltener auf die gemütlichen Wiederkäuer im Freien, von Bergregionen einmal abgesehen.
Statt sie auf der Wiese friedlich grasen zu lassen, sperrt der moderne Landwirt seine Rindviecher auch in der Sommersaison vorzugsweise in den Stall. Dabei lässt sich eine Kuh mit Sicherheit gern den Wind um die große Nase wehen und spürt lieber Sonne und Regen auf ihrer dicken Haut, als ihr ganzes Leben eingeengt in einem muffigen Bau zu verbringen.
In meiner Heimatstadt, dort, wo das Lechtal ins altbayerische Hügelland übergeht, gibt es einen lobenswerten Landwirt, der seit einigen Jahren vom Frühling bis zum Herbst eine große Gruppe Mutterkühe samt Nachwuchs und einem betagten Stier ins Freie und in die Teilzeit-Freiheit bringt: hinaus auf satte, grüne und sehr weitläufige Wiesen, wo ein kleiner Bach Trinkwasser spendet und ein paar größere Bäume Schatten spenden, falls die Sonne mal zu arg auf die Kuhhaut brennt.
Wenn man an der Weide vorbei spaziert und Glück hat, kann man dabei zusehen, wie die Kälber der Hafer sticht, sie wild herumtollen und sich gegenseitig jagen. Machmal lassen sich sogar die Mamas von der guten Laune und Lebensfreude ihrer Kinder anstecken und rennen ein ganzes Stück mit, so dass die ganze Herde plötzlich in Bewegung gerät – bis auf den müden Stier, der anscheinend lieber seine Ruhe haben will.
Einmal konnte ich beobachten, wie ein paar freche Kälber sich einen Spaß daraus machten, eine Schar Graugänse aufzumischen, die im hohen Gras rasteten. Immer wieder stürmten die abenteuerlustigen Kuhkids auf die lautstark protestierenden Vögel zu und veranlassten sie, vom Boden abzuheben und etwa fünfzig Meter weiter wieder zu landen.
Von ärgerlichem Geschnatter begleitet wiederholte sich das Spiel so lange, bis die Gänse endlich den Schnabel voll hatten und sich eine andere Wiese suchten – wobei ihr aufgebrachtes Geschrei noch lange vom Himmel schallte.
Auch, wenn die Kuhherde keine Lust auf Action hat und Jung & Alt einfach nur im Gras liegen, um sich ausruhen, gemütlich zu verdauen oder vielleicht sogar zu meditieren, wer weiß das schon, ist das ein sehr schöner Anblick – und so beruhigend.
Manchmal sieht man, wie zwei oder drei Kälber sich im Gras liegend aneinander kuscheln, während ein anderes noch auf den Beinen ist und Frischmilch bei Muttern abzapft.
Und dann ist auf einmal wieder die ganze Herde als Kollektiv unterwegs und bewegt sich gemächlich aber zielstrebig auf die seichte Stelle am Bach zu, wo alle problemlos ihren Durst löschen können. Es scheint fast, als hätten sie genau festgelegt, wann Trinkenszeit ist – und zu einer bestimmten Uhrzeit stapfen dann alle gemeinsam los, weil sich das in dieser Herde halt so gehört!
Viele Menschen halten Kühe für dumm: ein Irrtum. Manchmal genügt allein der Blick einer Kuh auf der Weide, um zu erkennen, was sie vom Menschen hält – nämlich nicht viel. Und das ist alles andere als dumm!
Bei einer Wanderung am Attersee ist mir so eine Kuh begegnet. Wenige Meter über meinem Weg, wo ihre Weide endete, tauchte sie plötzlich auf und blickte mürrisch auf mich herab. Mit einer Mischung aus Verächtlichkeit, Ärger und Selbstbewusstsein schaute sie mich an, als wollte sie mir zu verstehen geben: Mensch, du fehlst mir hier gerade noch, geh mir aus den Augen, du hast hier draußen nichts zu suchen, verschwinde in dein hyperdigitalisiertes Leben.
Spätestens seit dem Rendezvous mit dieser österreichischen Kuh weiß ich, dass Rinder keineswegs doof sind. Sie legen eine Gelassenheit an den Tag, die den meisten Menschen fremd ist.
Auch was Kollegialität und soziales Agieren anbelangt, verhalten sie sich vorbildlich. Gegenseitige Fellpflege und respektvoller Umgang miteinander zählen zu ihren Tugenden. Kühe wissen halt, wie wichtig der Zusammenhalt in einer Gemeinschaft ist.
Ich bin immer froh, auf meinen Streifzügen durch die Natur diesen stattlichen Wiederkäuern zu begegnen, erst recht, wenn sie mich freundlich anschauen – und natürlich auch dann, wenn sie mich völlig ignorieren.

Diese selbstbewusste Kuh auf ihrer Alm am malerischen Attersee hat mein Verhältnis
zu dieser Spezies nachhaltig verändert.

Zwei Kühe aus dem Vinschgau (Südtirol) zeigen eindrucksvoll, dass sie wie für einander geschaffen sind und gemeinsam durch Dick und Dünn gehen.