Keine Frage, es gibt viele gute Krimi-Autorinnen und -autoren – allerdings schreibt niemand auch nur annähernd so wie James Lee Burke. Doch was ist das Besondere an der Spannungsliteratur des 1936 geborenen, unermüdlich kreativen Schriftstellers aus dem südlichen Louisiana? Eine Rückschau auf die ersten beiden Dave-Robicheaux-Krimis könnte Antworten liefern.
New Orleans in den 1980er Jahren: Dave Robicheaux, Vietnamkriegs-Veteran und Detective bei der Mordkommission, kämpft nicht nur gegen das in und um die Golfküsten-Metropole blühende Verbrechen, sondern auch gegen seine inneren Dämonen und den Alkohol.
Als er eine Frauenleiche aus dem Bayou fischt und er im Gegensatz zu seinen Kollegen nicht an einen Selbstmord glaubt, beginnt er, auf eigene Faust zu ermitteln –eine folgenreiche Entscheidung.
Robicheauxs Probleme nehmen noch zu , als ihm aus sicherer Quelle zu Ohren kommt, auf ihn sei ein Mordanschlag geplant. Allerdings hat er keine Ahnung, wer es auf ihn abgesehen haben könnte. Während Dave versucht, dieses Rätsel zu lösen, legt er sich mit mächtigen Gangstern an – und sitzt plötzlich zwischen allen Stühlen.
Auf der Erfolgsspur
Mit „Neonregen“, dem ersten Band seiner Dave-Robicheaux-Reihe, gelang es dem damals 51-jährigen Autor aus Louisiana im Jahr 1987 endlich, auf die schriftstellerische Erfolgsspur einzubiegen. Große Anerkennung bei Lesern und Kritikern wahren die Reaktion auf die Robicheaux-Premiere und weitere zweiundzwanzig Krimis mit dem unorthodoxen Ermittler. Auch im deutschsprachigen Raum waren und sind Burkes Bayou-Thriller sehr beliebt.
Im zweiten Band der Reihe, „Blut in den Bayous“, hat Dave sich aus dem Polizeidienst verabschiedet, seine Pension auszahlen lassen und betreibt mit seiner Frau Annie tief im Mississippi-Delta einen Bootsverleihsowie einen Laden für Fischköder.
Eines Tages wird er zufällig Zeuge eines Flugzeugabsturzes. Es gelingt ihm, ein achtjähriges Flüchtingsmädchen aus der untergehenden Maschine zu retten, die anderen drei erwachsenen Insassen, darunter die Mutter des Kindes, sind bereits ertrunken.
Als sich wenig später die offiziellen Verlautbarungen über das Unglück nicht mit den Erkenntnissen von Dave decken, und er argwöhnt, dass hier ein Verbrechen verschleiert werden soll, mischt er sich ich einmal mehr in Dinge ein, die ihm nichts angehen. Natürlich zum Leidwesen von Annie, die ihm vorwirft, den Detective auch im Ruhestand nicht abzulegen zu können.
Im Folgenden legt sich Dave nicht nur mir der halben Bayou-Unterwelt an und brüskiert ehemalige Kripo-Kollegen, sondern tritt auch einem DEA-Drogenfahnder auf die Füße und macht sich die mächtige Einwanderungsbehörde zum Feind.
Daves Leben hängt an einem seidenen Faden, aber auch seine Frau und das illegale Flüchtlingsmädchen, welches die beiden heimlich bei sich aufgenommen haben, geraten in tödliche Gefahr.
Ein Mann der Gegensätze
Zum Erfolgsrezept der Louisiana-Krimis von James Lee Burke trägt in hohen Maße die schillernde, widersprüchliche Persönlichkeit des Protagonisten bei. Dave Robicheaux ist ein Mann der charakterlichen Gegensätze. Sein ungezügelter Drang, Verbrechen aufzuklären und für Gerechtigkeit zu sorgen, koste es, was es wolle, äußert sich oft in einem spontanen, unüberlegten Aktionismus, der von Jährzorn, Sturheit und Unbeherrschtheit begleitet wird. Eine Schwäche, die nicht nur ihm selbst sondern auch geliebten Mitmenschen Schaden zufügt.
Bei all der grimmigen Entschlossenheit und Rigorosität, mit der Dave regelmäßig ins Feld zieht, offenbart er auch immer wieder sensible und sogar romantische Seiten – und zeigt ein besonderes Interesse an der Landschaft, der Tier und Pflanzenwelt seiner Heimat, des Mississippi-Deltas. Aus diesem Grund fühlen sich viele Frauen zu ihm hingezogen, auch wenn sie später regelmäßig mit Verzweiflung auf die Kehrseite der Medaille blicken.
Der lavendelfarbene Himmel über Südlouisiana
Trotz der herausragenden Fähigkeiten des Autors, mit rasanten Action- und Hard-Boiled-Elementen packende Spannungsbögen zu errichten sowie eine faszinierende Story voranzutreiben, sind es die gelungenen „Porträtaufnahmen“ des südlichen Louisiana, die Burkes Krimis so besonders machen – auch wenn man durchaus auf den Gedanken kommen könnte, dies passe überhaupt nicht zusammen.
Und wie es passt! Dieser Gegensatz funktioniert wunderbar, weil sich alles bestens ergänzt: Hier knallharter Thrill, ungeschminkt geschilderter Mord- und Totschlag und nackte Brutalität, dort detaillierte, schwärmerische, ja liebevoll-zärtliche Naturbeschreibung.
Ein Beispiel aus „Blut in den Bayous“: „Weiches Licht fiel durch die Bäume, als ich an diesem Abend über die Bayoustraße nach Hause fuhr. Am manchen Sommertagen wird der Himmel über Südlouisiana regelrecht lavendelfarben, mit Streifen von zartrosa Wolken im Westen, wie auf den Horizont gemalte Flamingoflügel, und an diesem Abend war die Luft süß vom Duft der Wassermelonen und Erdbeeren auf der Ladefläche irgendeines Lasters sowie der Hortensien und dem nachts aufblühenden Jasmin, die den Holzzaun meines Nachbarn umrankten. Draußen auf dem Bayou kerbten die Brassen das Wasser wie Regentropfen.“
Die üppige Fauna und Flora des südlichen Louisiana ist eine wunderbare Kulisse für die Krimis von James Lee Burke. Doch das besondere Profil verleihen ihnen erst die schillernden Akteure dieser faszinierenden Gegend: drogenabhängige Prostituierte und verarmte Fischer, zwielichtige Barkeeper und hartgesottene Ölbohrarbeiter, schwarze Straßenmusiker und weiße Mafiosi. Und ein innerlich zerrissener Kerl, der das Copsein einfach nicht ablegen kann.
(„Neonregen“ und „Blut in den Bayous“ von James Lee Burke sind im Pendragon Verlag erhältlich.)