1968 – ein magisches Jahr für musik-Fans

"Crown Of Creation" – das beste Album von Jefferson Airplane
"Crown Of Creation" – das beste Album von Jefferson Airplane

1968? Das war doch das Jahr der Studentenrevolte, des Protestes gegen den Vietnam-Krieg, der Kampfansage an Spießer und unverbesserliche Alt-Nazis, des Drangs nach neuen, freien Lebensformen und -inhalten. Doch 1968 war noch mehr, viel mehr! Es war das Jahr spektakulärer Musik, sensationeller Events, legendärer Konzerte, epochaler Bandgründungen, historischer LP-Veröffentlichungen ...

 

Kurz zurück zur politisch-gesellschaftlichen Situation, die in diesem besonderen Jahr herrschte – und die den Rahmen bildete für die musikalischen Höhenflüge. 1968 – Sie erinnern sich: Rudi Dutschke, Fritz Teufel, Kommune 1, „Unter den Talaren, der Muff von tausend Jahren“, Steine gegen Wasserwerfer und Polizeiknüppel, der Tod von Benno Ohnesorg, in Frankreich sogar die Solidarisierung von Arbeitern mit Studenten sowie ein Generalstreik, in den USA die Ermordung von Martin Luther King und Robert F. Kennedy ...

 

Die Früchte der 68er Saat

 

Noch heute steht der Begriff „Die 68er“ für eine aufbegehrende, auf Konventionen pfeifende Generation, die einen langen Marsch durch die Institutionen der Bundesrepublik begonnen hat – und diesen mühsamen Weg auch, trotz zahlreicher Stolpersteine, bis zum Ende gegangen ist.

 

Was dieser Marsch bewirkt hat, welche Früchte aus dem 68er Saatgut letztlich herangereift sind und die Gesellschaft verändert hat, das ist heute greif- und spürbar: Ausstieg aus der Atomenergie, Emanzipation der Frau, Umweltschutz, die Ehe für alle u.v.m.

Aber vom 68er Baum ließen sich auch so wohlschmeckende Spezialitäten ernten wie die Songs von „Crosby, Stills & Nash“ oder „Deep Purple“!

 

1968: gute Musik satt!

 

Ein außergewöhnlicher Auftritt an einem ungewöhnlichen Ort: Am 13. Januar spielte Johnny Cash im kalifornischen Folsom State Prison vor völlig begeisterten Straftätern: Die in der Regel wegen Mordes oder Vergewaltigung lebenslänglich Einsitzenden lagen dem Country-Idol mit Outlaw-Attitüde zu Füßen. Bis heute gilt der Mitschnitt des legendären Konzertes als eines der besten Live-Alben aller Zeiten.

 

Was passierte noch im Musik-Jahr 1968? Die Beatles veröffentlichten eine Doppel-LP, die unter dem Namen „White Album“ für Furore sorgte. Aus Ex- Mitgliedern der „Hollies“ und „Buffalo Springfield“ formierte sich eine neue Supergroup: „Crosby, Stills & Nash“ (später noch unterstützt vom Kanadier Neil Young).

 

„Deep Purple“ wurde gegründet, allerdings noch ohne den Meister-Shouter Ian Gillan. Die Band erklomm wenige Jahre später mit Songs wie „Smoke On The Water“ den Hard-Rock-Olymp!

 

Bei „Pink Floyd“ wurde Syd Barrett, Kopf, Sänger und Gitarrist der englischen Psychedelic-Band, durch David Gilmore ersetzt. Syds LSD-Konsum hatte den talentierten Songschreiber in eine schwere Psychose mit Klinikaufenthalt gestürzt. Dem kreativen (und kommerziellen) Höhenflug der Gruppe hat der Personalwechsel nicht geschadet!

 

Der Zeppelin hebt ab

 

Am 7. September erhob sich der Zeppelin erstmalig in die Lüfte: Die vom früheren „Yardbirds“-Gitarristen Jimmy Page gegründete Rock-Band „Led Zeppelin“ absolvierte ihr erstes Konzert – natürlich mit Sänger und Sex- Symbol Robert Plant. Der Startschuss zur Welteroberung war gefallen!

 

Für Furore sorgten im Jahr 1968 auch „The Who“, die, ihren aktuellen Single- Hit- „Magic Bus“ im Gepäck, zu einer Down-Under-Tour aufbrachen und Fans in Australien und Neuseeland mit energiegeladenen Gigs beglückten. Konzertbesucher freuten sich vor allem darüber, wie wenig fürsorglich Pete Townshend mit seinen E-Gitarren umging. Smash! Tournee-Partner der „Who“ waren damals übrigens die „Small Faces“.

 

1968 sprinteten weitere spätere Tonträger-Million-Seller aus den Startlöchern. Art- und Bombast-Rocker wie „Yes“ oder „King Crimson“ etwa, bodenständige Chart-Stürmer mit charismatischen Lead-Sängern wie „Nazareth“ oder „Free“, Trendsetter und Experimentierlustige wie „Can“ oder „Amon Düül 2“ – mit ihrem frischen deutschen „Kraut“-Sound.

 

Farewell & so long

 

Auch einige Abschiede verzeichnet das Musik-Jahr 1968: Im Dezember tritt Janis Joplin zum letzten Mal mit ihrer Band „Big Brother And The Holding Company“ auf, bevor sie eine Solokarriere beginnt. „Cream“ spielen ihr „Farewell-Concert“ in der Londoner Royal Album Hall.

 

Und „Animal“ Chess Chandler, Entdecker, Förderer und Manager von Jimi Hendrix, kriegt sich mit dem E-Gitarren-Virtuosen kräftig in die Haare: Ausgerechnet während der Aufnahme-Sessions von „Electric Ladyland“, einer der Rock-Album-Meilensteine des Jahres (und aller Zeiten), zerstreiten sie sich: das Ende einer genialen Zusammenarbeit!

 

Da waren ja auch noch ...

 

Während herausragende Bands und Künstler im Jahr 1968 für Schlagzeilen sorgten, Karrieren starteten oder Musikgeschichte schrieben ...

• ...verbot Papst Paul VI. die Anti-Baby-Pille bzw. jede künstliche Geburtenkontrolle

• ... verübten Andreas Baader und Gudrun Ensslin Brandanschläge auf zwei Frankfurter Kaufhäuser

• ...wurde dem „Prager Frühling“ von sowjetischen Truppen ein frühes, gewaltsames Ende beschert

• ... wählten die US-Amerikaner den Republikaner Richard Nixon (denkbar knapp) zum ihrem 46. Präsidenten. Im Wahlkampf hatte Nixon übrigens versprochen, einen „geheimen Plan“ zur Beendigung des Vietnam-Konfliktes zu besitzen!

• ... ohrfeigte Beate Klarsfeld Bundeskanzler Georg Kiesinger auf dem CDU- Parteitag in Berlin – wegen seiner NS-Vergangenheit

 

SPECIAL 1:
Welche Songs hörten und kauften Westdeutsche im Revolten-Jahr?

 

In den heimischen Hitparaden tummelte sich 1968 eine bunte Mischung aus Rock, Pop und Schlager. Während internationale, englischsprachige Bands und Künstler wie Beatles, Rolling Stones, Manfred Mann oder Tom Jones Nr.- 1-Erfolge in den Single-Charts feierten, sicherten sich auch deutschsprachige Stars ihr Stück vom Kuchen.

 

So erreichten Peter Alexander mit „Der letzte Walzer“ und Heintje mit „Du sollst nie weinen“ sowie „Heidschi Bumbeidschi“ die Nr.-1-Positionen. Udo Jürgens machte „Mathilda“ zum großen Mitsing-Hit, während Roy Blacks Aufforderung „Bleib bei mir“ Heerscharen von Fans Folge leisteten.

 

SPECIAL 2:
Die größten internationalen Single-Hits 1968

 

Was toppte weltweit im Jahr 1968 die Singles-Charts? Den absoluten Hitparaden-Abräumer konnten die Beatles global mit „Hey Jude“ verbuchen. Der Song erreichte in fast allen Ländern der Erde die Nr. 1 Position, allein in Deutschland thronte er 27 Wochen lang auf Platz 1! Angesichts der ungewöhnlichen Länge von über 7 Minuten war dies keine Selbstverständlichkeit. Mit ca. 7,5 Millionen verkauften Exemplaren wurde „Hey Jude“ übrigens die erfolgreichste Single-Schallplatte der Beatles.

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Auf den Plätzen 2 bis 5 der 1968er Welt-Charts folgten:

• Nr. 2: „What A Wonderful World“ von Louis Armstrong

• Nr. 3: „Sitting On The Dock Of The Bay“ von Otis Redding

• Nr. 4: „Jumpin’ Jack Flash“ von den Rolling Stones

• Nr. 5: „Lady Madonna“ von den Beatles.

 

SPECIAL 3:
68er Juwelen: Zehn LP-Meilensteine

 

Musikalisch gesehen war das Jahr 1968 ein Gigant. Viele Künstler und Bands befanden sich auf dem Höhepunkt ihres Schaffens; insbesondere Freunde von Pop, Rock und Soul konnten aus dem Vollen schöpfen.

 

Auf der soliden Basis von Blues und Rock’n’Roll entwickelten sich unzählige Musiker und Gruppen kreativ enorm weiter, mixten munter die verschiedensten Musikstile und ließen ihrer künstlerischen Fantasie freien Lauf. Dementsprechend bunt und vielfältig war das musikalische Angebot in den Schallplattenläden.

 

Trotz der großen Bedeutung, regelmäßig möglichst weit oben in den Single- Hitparaden vertreten zu sein, natürlich vor allem aus kommerziellen Gründen, entwickelten sich Langspielplatten mehr und mehr zum Gradmesser des kreativen Potentials einer Band bzw. eines Künstlers. Und nach und nach wurde der Verkauf von LPs ein immer größer werdender wirtschaftlicher Faktor.

 

Das musikalische LP-Angebot in den Läden war grandios: In den Regalen tummelten sich Vinyl-Scheiben, auf denen beispielsweise zu hören war: West- Coast-Rock, Blues-Rock, Soul, Southern-Rock, Art-Rock, Country & Western, Latin-Rock, Hard-Rock, Psychedelic-Rock, Folk-Rock, Rockabilly, Pop ...

 

Bei diesem vielschichtigen Angebot konnte wirklich jeder Musik-Fan fündig und glücklich werden.

Das sind die vielleicht zehn besten, wichtigsten oder einflussreichsten LPs des Jahres 1968 im Bereich Pop und Rock. (Eine Rangfolge spielt hier keine Rolle, der eigene Geschmack kann natürlich nicht ganz ausgeblendet werden.)

 

• The Rolling Stones: „Beggars Banquet“

• Jefferson Airplane: „Crown Of Creation“

• Van Morrison: „Astral Weeks“
• Jimi Hendrix: „Electric Ladyland“

• The Kinks: „The Kinks Are The Village Green Preservation Society“

• Grateful Dead: „Anthem Of The Sun“

• The Beatles: „The Beatles“ (White Album)
• The Small Faces: „Ogdens’ Nut Gone Flake“ (Brit-Pop goes psychedelic.)

• The Zombies: „Odessey And Oracle“
• Spirit: „Spirit"

(Ausführliche Rezensionen dieser zehn Alben unter meiner Musik-Rubrik "Peters Flashback")

Woodstock – Drei tage Frieden und Musik

Sie kamen in Massen, feierten ihre Jugend, ihre Idole, lauschten der Musik der Gegenwart und der Zukunft, wünschten sich Frieden und Liebe auf Erden und hatten keine Angst vor Drogen mit bewusstseinserweiternden Wirkungen. Sie waren ein Teil von „Woodstock“, der Urmutter aller Open-Air-Festivals, das vor 50 Jahren der Welt, zumindest der westlichen, einen neuen Dreh gab. Und gemeinsam, eine halbe Million stark, schufen sie eine Legende.

 

Um gleich mit einem Missverständnis aufzuräumen: Das legendäre Woodstock-Open-Air-Festival, das mit einem spektakulären Auftritt von Richie Havens um 17.07 Uhr am 15. August 1969 begann, fand gar nicht in Woodstock, dem ursprünglich geplanten Veranstaltungsort statt, sondern auf einer Weide in White Lake nahe der Kleinstadt Bethel im US-Bundesstaat New York. Das war ungefähr 70 km von Woodstock entfernt. 

Yasgur’s Farm

Der Milchbauer, der seine Kuhwiesen für das Freiluft-Event zur Verfügung stellte, hieß übrigens Max Yasgur. Also: Woodstock war eigentlich Yasgur’s Farm – oder White Lake, wie man’s mag. Ob Mr. Yasgur aus White Lake beim Deal mit den Organisatoren ahnen konnte, dass bald Heerscharen von langhaarigen Hippies auf seinen Ländereien nackt und schlammverschmiert im strömenden Regen tanzen und sich die denkwürdigsten psychedelischen Substanzen einverleiben sollten, ist unklar. 

Auf jeden Fall verdanken wir auch ihm einen Meilenstein der modernen Kulturgeschichte – und großartige Film- und Tonträger-Dokumente.

Nicht alle kamen durch

Die Veranstalter rechneten mit 50.000 Musikfans – aber es kamen 400.000 oder gar 500.000! Und es hätten noch viel mehr Festival-Besucher werden können, wären viele Anreisende nicht auf den völlig überlasteten und hoffnungslos verstopften Zufahrtsstraßen mit ihren Autos stecken geblieben. So wie es Singer-Songwriterin Joni Mitchell passiert war, die über Woodstock ein Lied schrieb, obwohl (oder weil) sie es selbst nicht bis nach White Lake geschafft hatte. Ihr Song „Woodstock“ wurde ein Hit – auch in den Coverversionen von „Crosby, Stills, Nash & Young“ und „Matthews Southern Comfort“). Die Hymne einer ganzen Generation war geboren. 

Logistisch gesehen war das 400.000-Hippies-Spektakel natürlich ein nicht vorhersehbarer Kraftakt: Die Festival-Besucher mussten versorgt (teilweise mit Hubschraubern!) sowie medizinisch betreut werden. Die nahen Seen eines Geflügelzüchters wurden „angemietet“ – als Trinkwasserreservoir und Bademöglichkeit. 

Weil ein geordneter Ticketverkauf bzw. eine Kartenkontrolle angesichts der aufs Gelände strömenden Massen schon bald unmöglich wurde, verwandelte sich Woodstock in ein Free Concert – mit finanziellen Folgen für die Veranstalter. Nach dem Ende des Open Airs bilanzierten die Macher ein Minus von 1,3 Millionen US-Dollar. Geld mit Woodstock verdienten später andere: mit dem Oscar-prämierten Kinofilm sowie diversen Dokumentationen auf Ton- und Filmträgern. 

Das gelobte Land

Musikalisch setzte das Festival neue Maßstäbe. 32 hochkarätige Bands und Künstler der Folk- Rock- und Blues-Szene zeigten, wie vielseitig, fantasievoll und wegweisend Musik im Jahr 1969 sein konnte. 

Jefferson Airplane zelebrierte seinen elektrifizierenden Psychedelic-Rock. Der 22-jährige Gitarrist Carlos Santana absolvierte mit seiner Latin-Rock-Band einen spektakulären Auftritt und legte den Grundstein für eine Weltkarriere. Joe Cocker wurde mit seiner genialen Version des Beatles-Songs „With A Little Help From My Friends“ berühmt. Unvergessen ist auch Jimi Hendrix’ Interpretation der US-Nationalhymne „The Star-Spangled Banner“. 

Und dann natürlich noch: Janis Joplin, Joan Baez, The Who, Grateful Dead, Ten Years After, Crosby, Stills, Nash & Young, Country Joe & The Fish, Creedence Clearwater Revival, Canned Heat, John Sebastian … Woodstock war das gelobte Land, ja das pure Paradies für jeden Rock- und Folk-Fan. 

Bedingt durch längere Regenpausen endete das Woodstock-Festival erst am Montagvormittag. Am 18. August, gegen 11 Uhr, verabschiedete Jimi Hendrix die letzten auf den zertrampelten Kuhweiden von Max Yasgur ausharrenden Fans mit seinen Hits „Purple Haze“ und „Hey Joe.“ Und dann war „Woodstock“ eine Legende – und bald auch ein Mythos.

 

Ein wunderbares Chaos

 

Fast 50 Jahre nach dem legendären Open Air Festival antwortete Carlos Santana auf die Frage, was Woodstock für ihn bedeute, dass es ein wunderbares Chaos gewesen sei, eine durch und durch positive Erfahrung: „Woodstock hat mein Leben verändert.“ Er erinnere sich an Wahnsinnsauftritte von Jimi Hendrix und Sly Stone, aber auch an das ohrenbetäubende Knattern der Hubschrauber über „diesem endlosen Menschenmeer“.

„Wir sind Sternenstaub, wir sind golden“, singt Joni Mitchell in ihrer Woodstock-Hymne, „und wir müssen zum Garten Eden zurückkehren.“ Nicht wenige Musikfans werden sich an dreieinhalb Tagen im August des Jahres 1969 wie im Garten Eden gefühlt haben, auf der matschigen Kuhwiese von Bauer Yasgur in White Lake, New York – besser bekannt als Woodstock.